Schrecken, Trost und Hoffnung

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Schrecken, Trost und Hoffnung

Immer mehr Menschen haben Angst davor, dass der Menschheit wegen des Klimawandels und weiterer Krisen ein Zivilisationsabbruch bevorsteht. Einige Bücher können uns helfen, besser zu verstehen, was auf uns zukommen mag
Christoph Nick
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Christoph Nick

Die Menschen haben Angst. Überall auf der Welt. Der Klimawandel hat sich so stark beschleunigt, dass ihn selbst die hartnäckigsten Klimaleugner nicht mehr wegzaubern können. Viele fragen sich, was da wohl auf uns zukommt. Obwohl wir Menschen hervorragend darin sind, schlimme und gefährliche Dinge zu verdrängen, obwohl viele Menschen auf allen Kontinenten gar nicht die Zeit haben, sich über den Klimawandel Gedanken zu machen, weil sie zusehen müssen, dass sie ihr Überleben sichern, hat sich doch im Hintergrund diese eine, diese tiefe Angst festgesetzt, dass unsere Welt am Ende ist.

In Europa und den USA kommt hinzu, dass sehr viele spüren (nur eine Minderheit weiß es wirklich), dass die alte Zeit der Vorherrschaft endgültig vorbei ist. Wirklich vorstellen können sich das weder die meisten Amerikaner noch die Europäer. Zu tief ist eine fast 500-jährige Überlegenheit im kollektiven Bewusstsein verankert. Trotzdem: Amerikaner und Europäer haben nicht nur Angst vor den Folgen des Klimawandels, sondern auch vor den neu entstehenden globalen Machtverhältnissen, die sie, zu Recht, nicht einschätzen können. In den aufsteigenden Staaten ist aber oft Optimismus spürbar, weil es jahrelang unaufhaltsam voranging. Darüber hinaus blickt auch die Jugend mehrheitlich fast überall optimistisch in die Zukunft.

Vorstellen werde ich folgende Bücher:

  • Eric H. Cline | Nach 1177 v. Chr.: Wie Zivilisationen überleben | Herder | 2024
  • Erich H. Cline | 1177 v. Chr.:   Der erste Untergang der Zivilisation | Herder | 2015
  • Mischa Meier | Geschichte der Völkerwanderung: Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert n.Chr. |  C. H. Beck | 2019
  • Bryan Ward-Perkins | Der Untergang des Römischen Reiches und das Ende der Zivilisation | Herder | 2007

Weil sich alle Autoren in diesen vier Büchern streng an wissenschaftliche Standards halten, sind sie besonders wertvoll.

Der Untergang des römischen Reiches

Bryan Ward-Perkins | Der Untergang des Römischen Reiches und das Ende der Zivilisation | Herder | 2007

Der Untergang des Römischen Reiches und das Ende der Zivilisation

Beginnen will ich mit dem zuletzt genannten Titel. Bryan Ward-Perkins ist als Engländer und Sohn eines Archäologen in Rom aufgewachsen und kannte die römischen Ruinen von Kindesbeinen an. Er hat sein Buch geschrieben, um die Frage zu beantworten, ob der Zusammenbruch des Römischen Reiches eine so große Katastrophe war, wie es das kollektive Gedächtnis empfindet oder ob es doch ein eher sanfter Übergang in eine neue Zeit gewesen ist, wie es mehr und mehr Historiker im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts darstellten. Sein Urteil: Ja, ganz klar, es war der Zusammenbruch einer Zivilisation. Ein Zusammenbruch, der viel Leid für die Menschen gebracht hat, der die Bevölkerungszahlen dezimiert hat und der das allgemeine Wohlstandsniveau ebenso wie das erreichte technische und kulturelle Niveau sehr deutlich gesenkt hat.

Faszinierend ist seine Darstellung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes von Britannien bis Ägypten und Syrien. Ward-Perkins beschreibt eine Welt verflochtener Wirtschaftsräume und „weltweiter“ Lieferketten, die sehr stark an unsere heutige Welt erinnert. All dies bricht im Weströmischen Reich zusammen. Das Oströmische Reich kommt besser weg, vor allem, weil die kriegerischen Migranten den Bosporus nicht überschreiten konnten, weshalb Konstantinopel / Byzanz weiterhin über einen funktionierenden Wirtschaftsraum verfügte und deshalb eine gesunde Steuerbasis behielt. Ostrom konnte so seine Wehrfähigkeit erhalten, die der Westen verlor, weil alle seine Gebiete immer wieder besetzt und geplündert wurden.

Für den technischen Rückzug gibt er mitunter ganz einfache Beispiele. Selbst im hohen Norden des römischen Britannien, am Hadrianswall, hatten die Häuser Ziegeldächer und die Villen Fußbodenheizung. All das verschwand für viele Jahrhunderte. Viele technische Fähigkeiten gingen so vollständig verloren, dass man das römische Niveau des Handwerks manchmal erst tausend Jahre später wieder erreichte.

MIscha Meier - Geschichte der Völkerwanderung

Mischa Meier | Geschichte der Völkerwanderung: Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert n.Chr. |  C. H. Beck | 2019 | 58 EUR

Geschichte der Völkerwanderung: Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert n.Chr.

Mischa Meier beschreibt in seiner Geschichte der Völkerwanderung die Entwicklungen im Gebiet des Römischen Reiches (und ein wenig darüber hinaus) seit dem dritten Jahrhundert sehr detailreich. Ohne näher auf Einzelheiten einzugehen, möchte ich vor allem drei Aspekte hervorheben, die mich beeindruckt haben. Erstens seine Feststellung, dass die Zeitgenossen den Untergang des Römischen Reiches nicht klar vor Augen hatten und auch nicht haben konnten. Was so viele Jahrhunderte so erfolgreich existiert hatte, konnte doch nicht einfach verschwinden. Die meisten Menschen im Weströmischen Reich glaubten im 5. Jahrhundert n. Chr., dass man die Krisen würde überwinden können.

Der zweite Punkt: Es war lange gar nicht das Ziel der kriegerischen germanischen Völkerscharen, das Römische Reich zu zerstören. Vielmehr suchten sie Teilhabe am römischen Wohlstand. Dass sie mit ihren Feldzügen das ganze System unwiederbringlich zerstören könnten, daran haben sie zuerst wahrscheinlich selbst nicht geglaubt.

Drittens: Mischa Meier ist der Ansicht, dass der Untergang nicht alternativlos war. Er betont, dass die innerrömischen Kämpfe um die Macht im Weströmischen Reich viele Ressourcen verschwendeten. Hätte man seine vereinten Kräfte auf den Feind und die strukturellen Probleme des Reiches konzentriert, anstatt sich in internen Machtkämpfen zu verzetteln, hätte sich das Weströmische Reich vielleicht in der einen oder anderen Form retten können. Konstantinopel / Byzanz hatte auch das Glück, dass es immer wieder Zeiten gab, in denen es gut regiert wurde. Good Governance ist eine wichtige Trumpfkarte in Krisenzeiten, die gar nicht überschätzt werden kann. Die Konflikte und Machtkämpfe, die der Historiker im Westen schildert, haben mir eine Vorstellung davon vermittelt, wie viel Schreckliches passieren kann, wenn Gesellschaften ihren Zusammenhalt verlieren und Wirtschaftssysteme zusammenbrechen. Mischa Meier betont auch, dass die Bewohner Westroms entsetzt über die für sie unvorstellbaren Gewaltausbrüche waren, weil man so etwas schon sehr lange nicht mehr erlebt hatte.

Der Autor vermerkt am Ende seines 1500 Seiten dicken Buches, dass sich Parallelen zu unserer heutigen Zeit aufdrängen, er aber darüber in seinem Buch nicht sprechen wolle. Er habe sich dazu jedoch an anderer Stelle geäußert. Eric H. Cline, ein amerikanischer Archäologe und Historiker, ist in diesem Punkt dagegen nicht zurückhaltend. Im Gegenteil. Er hat sein Buch Nach 1177 v.Chr.: Wie Zivilisationen überleben“ gerade deshalb geschrieben.

Erich H. Cline - Vor 1177

Erich H. Cline | 1177 v. Chr.: Der erste Untergang der Zivilisation | Herder | 2015 | 16 EUR

1177 v.Chr.: Der erste Untergang der Zivilisation

Bevor ich jedoch dazu komme, muss ich zuerst seinen Bestseller 1177 v.Chr.: Der erste Untergang der Zivilisation vorstellen. Im 12. Jahrhundert v.Chr. leben die Völker im östlichen Mittelmeerraum und in Mesopotamien noch in der Bronzezeit. Die Eisenzeit wird erst nach dem beinahe vollständigen Zusammenbruch eines „international“ vernetzten Wirtschaftsraumes anbrechen. Das Jahr 1177 v.Chr. ist natürlich nicht das alles entscheidende Jahr. Cline wählt es, weil der ägyptische Pharao Ramses III. in diesem Jahr die sogenannten Seevölker in einer großen Schlacht im Nildelta schlug und seinen Triumph so eindrucksvoll in Stein meißeln ließ, dass ihn moderne Archäologen wieder ausgraben konnten. Ägypten konnte sich behaupten, aber weil ein ganzes System zusammenbrach, verlor auch das Reich der Pharaonen seine alte Stärke. Cline spricht von einem Pyrrhussieg und schlägt einen Bogen des Niedergangs von dieser Schlacht bis zur Eroberung Ägyptens durch Alexander den Großen.

Die Seevölker, von denen man bis heute nicht weiß, woher sie kamen, zerstörten fast alle Handelsstädte an den Küsten, aber auch Großreiche wie das der Hethiter, deren Hauptgebiet auf der anatolischen Hochebene in der heutigen Türkei lag. Das Hethiterreich wurde so vollständig zerstört, dass man bis vor 200 Jahren nicht einmal wusste, dass es existiert hatte. Zerstört wurde auch das mykenische Griechenland (benannt nach seiner führenden Stadt Mykene auf der nördlichen Peloponnes), das minoisch-griechische Kreta sowie Handelsstädte auf Zypern und in der Levante.

Interessant für uns ist hier vor allem, dass Eric H. Cline sehr überzeugend anhand der Ergebnisse zahlreicher Ausgrabungen darlegen kann, dass der Zusammenbruch der Zivilisation nicht allein an den Seevölkern gelegen haben kann. Einzelne Krisen können Zivilisationen überstehen – man denke nur an die große Pest von 1347/48, die in Europa etwa ein Drittel der Bevölkerung dahinraffte. Trotzdem führten diese hohen Sterberaten nicht zu einem Zusammenbruch der Zivilisation. Im 12. Jahrhundert muss es also noch andere Faktoren gegeben haben. Eric H. Cline findet einen Hauptgrund im Zusammenbruch der Handelsströme, die damals durch die Paläste, d.h. durch die Herrschenden organisiert wurden. Handelsunternehmen im eigentlichen Sinne gab es noch nicht. Um Bronze, dem wichtigsten Metall der Epoche, herstellen zu können, brauchte man Kupfer und Zinn. Zypern lieferte das Kupfer (das der Insel seinen Namen gab), die bekannten Zinnlagerstätten lagen in Zentralasien. Ohne eine „internationale“ Zusammenarbeit war es unmöglich, diese beiden Metalle in ausreichender Menge zu bekommen. Der Zusammenbruch der Handelsrouten hatte deshalb gravierende Folgen. Zum Beispiel, dass man Eisen statt Bronze benutzen musste, weil die Grundstoffe einfach nicht mehr zu bekommen waren, während Eisenerz viel häufiger zu finden war als Kupfer und Zinn.

Die Griechenland wurden für ungefähr vier Jahrhunderte wieder zu Analphabeten. Bevölkerungszahlen wie Handelsvolumina gingen allgemein stark zurück. Ein Klimawandel mit geringeren Niederschlägen setzte allen zu. Dürren, Hunger und Seuchen waren die Folgen. Ägypten und das Zweistromland verfügten durch ihre Lage am Nil, bzw. an Euphrat und Tigris über einen klaren Vorteil. Das Hethiterreich ist wahrscheinlich auch deshalb so radikal verschwunden, weil es keinen Zugriff auf einen großen Fluss hatte. Eric H. Cline konnte anhand von Ausgrabungen in der Levante auch zeigen, dass es zu Aufständen gekommen sein musste.

Der Autor stellt in den ersten drei Kapiteln jeweils die Entwicklungen im 15., 14. und 13. Jahrhundert v. Chr. vor. Im vierten Kapitel beschreibt er die Katastrophen und den Zusammenbruch des Systems, in das das östliche Mittelmeer und Mesopotamien eingebunden waren. Die Überschrift des fünften und letzten Kapitels lautet: „Eine ganze Serie von Katastrophen?“ Sein Buch zeigt uns eine frühe vernetzte Welt. Sie wirkt in vielen Punkten wie ein Modell unserer Welt in einer Miniaturausgabe. Es ist, als würden wir eine Lupe in die Hand nehmen. Gerade weil das damalige Zusammenspiel viel einfacher strukturiert war, können wir klarer erkennen, was unserer heutigen Welt bevorstehen kann.

Im Epilog fragt Eric H. Cline „Und was kam danach?“ und „Was wäre, wenn … ?“ [der Zusammenbruch nicht passiert wäre]. Die letzten Sätze seines Buches lauten: „Durch den Zusammenbruch der bestehenden Strukturen konnten sich neue Völker und Stadtstaaten etablieren, wie die Israeliten, Aramäer und Phönizier im östlichen Mittelmeer und später Athen und Sparta in Griechenland. Mit ihnen kamen neue Entwicklungen und innovative Ideen, wie das Alphabet, die monotheistische Religion und schließlich die Demokratie. Manchmal braucht es eben einen Flächenbrand, um das Ökosystem eines alten Waldes zu erneuern und etwas Neues wachsen zu lassen.“

Erich H. Cline - Nach 1177

Erich H. Cline | Nach 1177 v. Chr.: Wie Zivilisationen überleben | Herder | 2015 | 32 EUR

Nach 1177 v.Chr.: Wie Zivilisationen überleben

Wir kommen nun zum vierten, zum aktuellsten Buch: Nach 1177 v.Chr.: Wie Zivilisationen überleben. Eric H. Cline empfängt uns mit dem Satz: „Willkommen in der Eisenzeit.“ Er will wissen, ob und wie Menschen und Kulturen den Sturm des 12. Jahrhunderts überlebt und neu angefangen haben. Ihn beschäftigt die Frage, ob die vier Jahrhunderte vom 12. bis zum 8. Jahrhundert v. Chr. ein dunkles Zeitalter waren, und ob damals irgendjemand wusste, dass man mitten in einem Kollaps steckte. (Wir erinnern uns: Mischa Meier verneinte diese Frage.) Wie formierten sie sich neu und erholten sich, sofern sie das denn taten? Waren sie resilient? Wandelten sie sich? Oder gingen sie einfach unter und wurden durch neue Staaten, neue Strukturen, neue Gesellschaften ersetzt?“

Es geht dem Autor vor allem um die Resilienz gesellschaftlicher Systeme. Den letzten Anstoß sein Buch zu schreiben gaben ihm der UN-Klimabericht aus dem Jahr 2021, die Covid-19-Pandemie und der Einmarsch Russlands 2022 in die Ukraine mit dem Ziel, sich nicht nur ein paar Gebiete (wie seit 2014), sondern gleich das ganze Land zu unterwerfen.

Wieder geht der Autor sorgfältig Schritt für Schritt vor, Grundlage sind immer die Forschungsergebnisse der Archäologie. Das erste Kapitel, „Das Jahr der Hyänen, als die Menschen verhungerten“, beschäftigt sich mit Ägypten, Israel und der südlichen Levante. Ägypten hat sich seiner Meinung nach nicht gut behauptet, da es nie wieder seine Stellung vor den Angriffen der Seevölker einnehmen konnte. Er sagt uns über das Land: „Zwar bestand es weiter, jedoch auf einem niedrigeren soziokulturellen Existenzniveau;“. Ägypten hatte seit etwa 3000 v. Chr. zu den erfolgreichsten Zivilisationen der Welt gehört. Aber in der fundamentalen Krise am Ende der Bronzezeit erwies es sich nicht als wandlungsfähig genug. Für die südliche Levante ist Cline sich nicht sicher. Soll man die neuen Königreiche, darunter Israel, Juda, Edom, Ammon und Moab als Subjekte einer erfolgreichen Transformation sehen oder als lediglich assimiliert?

Im zweiten Kapitel, „Eroberer aller Länder, Rächer Assyriens“, geht es um Assyrien und Babylonien. Beide hielten dem Zusammenbruch und der Übergangsphase erfolgreich stand, aber sie wurden, zeitverzögert, auch von Dürren, Hunger und Seuchen getroffen. Als das Klima gegen Ende des 10. Jahrhunderts v. Chr. wieder feuchter wurde, kam Assyrien mit Macht zurück, Babylonien aber musste noch 300 Jahre länger warten.

Am besten schlugen sich Zyprer und Phönizier. Das dritte Kapitel lautet: „Das Mittelmeer wird zum phönizischen Binnenmeer“. Die neue Eisenzeit begann wohl zuerst in Zypern. Dort gab es wegen der Kupfervorkommen die am besten ausgebildeten Metallfacharbeiter. Wie man Eisen aus Eisenerz gewinnt und bearbeitet, kannten die Zyprer wohl schon länger. Weil es nach dem Zusammenbruch kein Zinn mehr gab, bauten sie auf ihrem Können auf und knüpften auch wieder Handelskontakte. Die Phönizier profitierten vom Untergang der dominierenden Hafenstadt Ugarit (im heutigen Syrien gelegen) und weiterer Küstenstädte. Dadurch konnten sie die Kontrolle über die Handelswege im Mittelmeer gewinnen. Während die Zyprer Eisenwaren und die Technik der Eisenbearbeitung im Mittelmeerraum exportierten, verbreiteten die Phönizier ihre Version des Alphabets. Sie produzierten den Farbstoff Purpur und konnten ihn gegen Silber und andere Metalle aus Sizilien, Sardinien und der iberischen Halbinsel tauschen. Laut Eric H. Cline blühten sie inmitten des Chaos nach dem Kollaps auf.

Das vierte Kapitel berichtet vom Untergang der Hethiter und was darauf folgte. Das fünfte Kapitel davon, was in Griechenland und auf Kreta passierte. Sowohl das mykenische als auch das minoische Griechenland (Kreta) scheiterten vollständig. Die griechische Kultur erholte sich frühestens ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. Sie hatte wieder bei Null anfangen müssen.

Im Schlusskapitel „Vom Kollaps zur Resilienz“ geht darum zu verstehen, wie ein Zusammenbruch abläuft und welche Qualitäten ihn verhindern können. Ausgangspunkt ist einmal der adaptive Zyklus aus der Resilienzforschung (eine liegende 8 mit den Phasen Wachstum, Erhalt des Status quo, Kollaps, Reorganisationsphase) sowie der Bericht „Managing the Risks of extreme Events and Disasters to advance Climate Change Adaptation“ des Weltklimarates (IPCC) aus dem Jahr 2012. Mit diesem Raster beurteilt er jede der vom Zusammenbruch der Zivilisation betroffenen Kulturen jeweils in vier Jahrhunderten. Seine wichtigsten Ergebnisse sind schon hier zur Sprache gekommen. Am Ende seines Buches zieht er sechs Lehren für die Welt von vor 3000 Jahren, die wir prinzipiell, aber angepasst, auch heute beherzigen sollten. Sie lauten:

  1.  Halte mehrere Notfallpläne bereit und richte Redundanzsysteme ein, auf die du dich beim Ausfall der primären Systeme verlassen kannst.
  2. Sei resilient genug, jeden denkbaren Schlag auszuhalten, und stark genug, allen feindlichen Invasionen oder Angriffen zu widerstehen.
  3. Sei so autark wie möglich, aber verlasse dich, wenn nötig, auf die Hilfe von Freunden.
  4. Sei innovativ und einfallsreich, bereit für schnelle Veränderungen und eine Anpassung oder Transformation, nicht nur für die eigene Krisenbewältigung.
  5. Bereite dich auf Extremwetterlagen vor – wenn sie kommen, bist du bereit, wenn nicht, schadet es nicht
  6. Sichere dir zuverlässige Wasservorräte.
  7. Halte die Arbeiterklasse bei Laune.

Schrecken, Trost und Hoffnung

Während dieser Artikel geschrieben wird, bricht in Syrien der Bürgerkrieg wieder aus. Aleppo wird von Aufständischen gegen das Assad-Regime zurückerobert. Journalisten spekulieren darüber, welche Auswirkungen das auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine hat und ob eine ukrainische Niederlage China ermutigen würde, Taiwan eher früher als später anzugreifen. Würde China Taiwan erobern, bedeutete das gravierendste Auswirkungen auf die Handelsströme und die Wirtschaft der Industriestaaten, denn das Land ist als weltweit wichtigster Produzent von Computerchips zurzeit unersetzbar. In Deutschland wären ganze Wirtschaftszweige von Stillstand bedroht. Halbleiter spielen heute die Rolle von Kupfer und Zinn in der späten Bronzezeit. Wer keine mehr produzieren oder bekommen kann, ist verloren. In Amerika droht der gewählte neu-alte Präsident Donald Trump beinahe jeden Tag mit neuen Zöllen. Übertreibt er es, kann auch hier ein funktionierendes Beziehungsgeflecht zerreißen. Kriege sind schon wieder so normal geworden, dass sich fast niemand dafür interessiert, was im Sudan passiert, wo möglicherweise Hunderttausende verhungern werden. Warum interessiert das niemanden? Weil es niemanden mehr gibt, der die Macht hätte, den Konflikt aus eigener Kraft zu befrieden.

Es gibt für mich keinen Zweifel: Die vielen Krisen unserer Zeit, überwölbt vom alles beeinflussenden Klimawandel, sind und werden ein großer Schrecken sein. Der Trost liegt für mich darin, dass die Menschheit praktisch sicher sein kann, dass ihre Existenz nicht gefährdet ist. Meine Hoffnung ist, dass wir als erste wissenschaftliche Zivilisation in der Geschichte der Menschheit stark genug sind, uns mit Innovationen und Zusammenarbeit behaupten können. Im Grunde stehen wir vor der Aufgabe, zu lernen die Atmosphäre eines Planeten zu beherrschen und uns als eine Menschheit zu begreifen.

Die vorgestellten Bücher zeigen uns, was passieren kann. Dieser Rückblick hilft uns, wenn wir nach vorne schauen wollen. Es braucht nicht viel Fantasie, die historischen Ereignisse auf unsere Gegenwart zu übertragen. Wir haben ein hochkomplexes System errichtet, das lebensgefährliche Nebenwirkungen hat. Diese müssen wir ausmerzen. Oder – an dieser Frage kommen wir meines Erachtens nicht vorbei – sind wir als Spezies zu primitiv, weil wir mit unserem Machthunger, unserer Geldgier und unserem Hang Konflikte durch Gewalt und Kriege zu lösen nicht in der Lage sind, die von unserer Intelligenz geschaffene Komplexität politisch, ökonomisch und sozial so meistern, dass wir überleben können? Dies gilt in der Krise des 21. Jahrhunderts am stärksten für die Eliten aller Länder. Denn sie sind es, die an den Hebeln der Macht sitzen und noch immer viel zu oft versuchen, Macht und Reichtum sich selbst einzuverleiben. Koste es, was es wolle.