Die Kosten der Hochzeit
Ich wurde im alten Afrika geboren, 1939 oder so, zur Zeit, als die Kolonie noch leuchtete. Meine Eltern waren nicht zur Schule gegangen. Mein Vater verstarb, als ich noch ein kleiner Junge war. Erst später, lange nachdem ich 1951 zur Schule gegangen war, fragte ich meine Mutter, wann ich geboren worden war. Sie sagte: "Es war zu der Zeit, als Gerüchte über den Zweiten Weltkries aufkamen, während der Ernte der "nzuu", der schwarzäugigen Bohne." Diese Erbsensorte wird im September und Oktober geerntet. Mit diesem Kalender im Hinterkopf beschloss ich, den 19. Oktober als mein Geburtsdatum zu wählen. Denn die Zahl 19 war für mich immer schon eine wichtige Zahl, da ich im Laufe der Jahre, wann immer ich gekritzelt habe, oft und ganz unbewusst die Zahl 9 geschrieben oder mit ihr gespielt habe, und so ist sie für mich zu einer mystischen Zahl geworden.
David Gian Maillu (geboren am 19. Oktober 1939) ist ein kenianischer Autor und Verleger. Er gilt als der produktivste Schriftsteller Ostafrikas und hat zwischen 1972 und 2024 über 60 Bücher veröffentlicht.
Ich fühlte mich gezwungen, in die Kirche zu gehen, weil mir die schreckliche Erzählung aus der Bibel vor Augen geführt wurde, dass ich, wenn die Welt unterginge und ich dabei erwischt würde, Jesus nicht als meinen persönlichen Retter angenommen zu haben, am Tag des Jüngsten Gerichts in den feurigen Pfuhl geworfen würde, wo ich für immer und ewig brennen würde ohne zu sterben! Ohne zu sterben? Das war ein unvorstellbarer Schrecken. Der Druck, in die Kirche zu gehen, um gerettet zu werden, wurde auch durch Geschichten über die Ausweitung des Zweiten Krieges verstärkt, in dem, wie man uns sagte, Mussolinis Kriegsflugzeuge Bomben auf uns werfen würden. Ich fürchtete, dass ich sterben könnte, bevor ich gerettet wurde, denn man erzählte uns ständig, dass wir uns verteidigen mussten, indem wir Schützengräben aushoben, um uns vor den Bomben zu verstecken.
Um mich also vor dem Schrecken zu retten, in der Hölle zu verbrennen, ging ich zur nächstgelegenen Kirche, der Heilsarmee, zu der auch die Grundschule gehörte, in die ich ging. Nach meiner Rettung fühlte ich mich endlich wieder entspannt. In den alltäglichen Predigten, die mit kolonialer Psychologie choreografiert waren, ging es stets darum, den christianisierten Menschen zu vermitteln, dass sie aufhören sollten, an weltliche Dinge zu denken. Stattdessen sollten wir unsere Schätze (die Seele) im Himmel anlegen, wo Rost, Motten und Diebe nicht hinkommen. Es irritierte mich aber schon, dass uns diese Predigten weismachten, dass wir uns der Armut hingeben sollten.
David G. Maillu | Broken Drum | Jomo Kenyatta Publishing House | 1121 Seiten | 738 KES
Später, nach der Unabhängigkeit Kenias im Jahr 1963, las ich dann, dass Jomo Kenyatta, der erste Präsident Kenias, allegorisch geschrieben hatte: "Sie (die Briten) gaben uns die Bibel und baten uns, sie in die Hand zu nehmen und unsere Augen zu schließen, um zu beten. Wir taten dies. Aber als das Gebet zu Ende war und wir die Augen öffneten, mussten wir feststellen, dass die Briten unser Land an sich gerissen hatten."
Kenyattas Aussage sollte in einem größeren kulturellen Kontext betrachtet werden: Dass der Kolonialismus die Grundlagen der afrikanischen Kultur destabilisiert, zerstört, verzerrt, verwirrt, korrumpiert oder durcheinander gebracht hat. Ich bin ein Nebenprodukt des Kolonialismus. Ich und meine Generation sind die Brücke zwischen dem traditionellen Afrika und dem postkolonialen Afrika. Während der Kolonialzeit wurden wir als Afrikaner eingestuft, aber nicht als Kenianer. Das Konstrukt, in dem wir aufwuchsen, war in drei Klassen unterteilt: Weiße Menschen, Inder und Afrikaner. Die Inder wurden von der Kolonialregierung nach Kenia geholt, um die Eisenbahnlinie zu bauen. So ließ sich eine ganze Generation Inder in Kenia nieder. Während der Kolonialzeit wurde die Apartheid in Kenia unter anderem daran sichtbar, dass die Toiletten in A, B und C eingeteilt waren, wobei A für die Weißen, B für die Inder und C für die Afrikaner stand. Inder wurden aufgrund ihrer Hautfarbe in die zweite Klasse eingestuft.
Diese Einleitung beschreibt den Hintergrund, vor dem ich mich zu einem Wissenschaftler und Schriftsteller entwickelte, der zu diesem Zeitpunkt bereits völlig desillusioniert war vom Kolonialkrieg, den ich nur mit schweren Narben überlebte. Erst durch die Bildung wurde mir schließlich klar, worum es beim Kolonialismus geht und welchen Schaden er bei Afrikanern anrichtet. Andererseits hatten die Überlebens- und Anpassungsstrategien im Kolonialismus auch Vorteile, die allerdings durch die schlechten Folgen aufgewogen werden. Obwohl Bildung durch die Kolonialverwaltung verhindert und erschwert wurde, habe ich alles getan, um mein eigener Retter und Lehrer zu sein. Nach vielen Jahren als Autodidakt habe ich einen Doktortitel in afrikanischer Literatur und politischer Philosophie erworben, der jedoch nichts mit meiner Kreativität zu tun hat. Ich betrachte ihn lediglich als intellektuelle Auszeichnung.
Es ist meine lange Reise von der Tradition über den Kolonialismus bis hin zur Unabhängigkeit, die nicht nur mein Schreiben geprägt hat, sondern auch das Schreiben meiner Generation von Schriftstellern wie Chinua Achebe, Amos Tutuola, Ayi Kwei Armah, Ngugi Wa Thiong'o, Wole Soyinka, Okot P'Bitek und anderen, die gemeinhin als die Crème de la Crème der afrikanischen Schriftsteller bezeichnet werden.
Die Kolonisatoren verhandelten mit den Afrikanern nicht darüber, wie die Afrikaner kolonisiert werden sollten, weil sie die Afrikaner als wilde Untermenschen ansahen, die weder Geschichte noch Philosophie hatten. In psychologischer Hinsicht bewegten sie die Afrikaner dazu, dass sie alles in ihrer Kultur aufgaben; sie verlangten, dass sie aufhören sollten, kreativ zu denken, da ihre Gehirne qualitativ nichts Gutes hergaben ... Afrikaner hätten keine Religion und keinen Gott und verehrten stattdessen nur Götzen und die Geister ihrer Ahnen. Deshalb brachten die Kolonisatoren die christliche Religion zu den Afrikanern. Sie verlangten indirekt, dass die Afrikaner ihre Lebensweise aufgeben sollten, weil der Weiße Mann für sie denken würde, und wenn sie etwas tun wollten, das Denken erforderte, hatten sie nur zwei Möglichkeiten: das Gehirn des Weißen Mannes oder die Bibel zu konsultieren. So hörten die Afrikaner auf wie althergebracht zu denken und verfielen im Laufe der Jahre in eine Kultur des nicht-kreativen Denkens; so entwickelte sich eine Kultur des Nicht-Hinterfragens, Generation für Generation. Die Kultur, wie ein Baby zu denken, schlug Wurzeln. Am Tag der Unabhängigkeit erbten die afrikanischen Staatsoberhäupter Nationen, die an einer Amnesie des kreativen Denkens litten und erwarteten, dass die Regierung und die Bibel mit Hilfe des Weißen Mannes für sie weiterdenken würden.
Die Schriftsteller meiner Generation hatten nicht den großen Luxus, den man in technologisch entwickelten Ländern findet, wo Schriftsteller zum Vergnügen oder zum Feiern und Gedenken an ihre imperiale Geschichte schreiben, wo man Gedichte über Wolken, Wind und Wetter schreiben kann. Stattdessen werden wir von der kulturellen Notwendigkeit angetrieben, Bücher zu schreiben, um die afrikanische Identität zurückzuerobern und der Welt zu zeigen, dass wir in der Lage sind, als Intellektuelle umfassend zu denken und die kulturelle Übergangszeit, in der wir leben, analysieren können. Diese Phase der Transition hat viele relevante Fragen aufgeworfen, die sich auf den Wert der afrikanischen Kultur für den modernen Menschen beziehen.
In vielen meiner Werke und in den Werken von Schriftstellern meiner Generation sieht man das Bemühen, die importierte Kultur mit der afrikanischen zu vergleichen. Diese Werke befassen sich mit kritischen Fragen wie Regierungsführung, Korruption, Missbrauch politischer Macht und Identitätsfindung im heutigen Afrika. Sie befassen sich aber auch mit der lädierten Pracht afrikanischer Traditionen.
Als ich in den Morgenstunden der Unabhängigkeit meine inzwischen verstorbene deutsche Frau Hannelore heiratete, fühlte ich mich unwohl, wenn sie mich "Kenianer" nannte und mich damit aus dem afrikanischen Konstrukt, in dem ich aufgewachsen war, herauslöste. Von meinem damaligen Standpunkt aus sah ich nichts Besonderes darin, ein Kenianer zu sein. Kenia, das nur ein Kolonialgebiet war, hatte nichts Besonderes getan, das Lob verdient hätte. Der Afrikaner war es, der etwas vollbracht hatte. So war ich im Grunde genommen Afrikaner und dann erst aus geografischem Zufall Kenianer. Ich erinnere mich, wie mich meine Freundin in den 1960er Jahren leidenschaftlich ermutigte, traditionelle Überlieferungen in Büchern zu verarbeiten. Daraufhin habe ich angefangen, für Kinder zu schreiben. Heute bin ich der Autor mit der längsten Liste an Kinderbüchern - etwa 40. Während der Kolonialzeit gab es keine Veröffentlichungen von afrikanischen Geschichten für Schulkinder. Sie lasen nur in Europa Gedrucktes.
Niemand hat mir beigebracht, wie man Bücher schreibt. Ich musste es mir selbst beibringen. Meine Schulbildung endete nach acht Schuljahren, mit der kolonialen Standardprüfung 8 namens "Kenya African Preliminary Education". Ich bestand die Prüfung und besuchte die High School. Aber High Schools gab es wenige. In meiner Akamba-Gemeinde gab es nur eine einzige High School mit einer Aufnahmekapazität von 45 Schülern. Bildungshungrig wie ich war, schaffte ich es auf die Machakos High School, die jedes Jahr 45 Schüler aufnahm. Ich begann, mich auf eigene Initiative, durch eine Korrespondenzschule namens British Tutorial College, weiterzubilden.
Es war während dieser Korrespondenzzeit, als mein Englischlehrer mir sagte, ich sei gut im kreativen Schreiben. Da war etwas dran, denn von Kindheit an war ich an unveröffentlichten traditionellen Volksmärchen interessiert, von denen ich eine beträchtliche Sammlung hatte. Ich erinnere mich an meinen Versuch in der 5. Klasse im Jahr 1955, als ich "Der Prinz mit dem goldenen Haar", eine Kindergeschichte, ins Kikamba, übersetzte. Damals begann ich mich das erste Mal zu fragen, wie jemand ein Buch schreibt. Von diesem Zeitpunkt an entwickelte ich Interesse am Schreiben. Ich habe immer Briefe geschrieben. Ich erinnere mich, dass ich nach Abschluss meiner Schulzeit ein Manuskript mit Liebesbriefen hatte, das mir dann aber jemand gestohlen hat. Doch der Dieb ließ mich mit dem Stolz zurück, dass ich etwas Substanzielles geschrieben haben musste, das ihn verlockt hatte, es mir wegzunehmen.
Es gab keine Lehrer fürs Bücherschreiben. Ich erinnere mich, dass ich 1959 meinen Lehrer an der Fachschule einmal fragte: "Kann ein Afrikaner schreiben?" Er schaute mich an, blinzelte nachdenklich und sagte: "Moment mal, ich glaube, ich habe von jemandem in Nigeria gehört, der ein Buch geschrieben hat."
David G. Maillu | After 4:30 | Nuria Kenya | 219 Seiten | 760 KES
Es ist wichtig, auf das psychologische Erbe und Fundament einzugehen, auf dem die Afrikaner stehen, denen ich in meinen Büchern ein Andenken gegeben habe. Mein bekanntestes Buch, After 4.30, habe ich 1975 geschrieben. Damals lebte ich in der Stadt, in Nairobi, nachdem ich das Leben auf dem Land hinter mir gelassen hatte. In dem gerade unabhängig gewordenen Kenia lebten die Menschen hin- und hergerissen zwischen der westlichen und der traditionellen afrikanischen Kultur. Das Leben in der Stadt war für viele Menschen ein neues Phänomen. Ich habe das Buch in der Absicht geschrieben, speziell Mädchen hinsichtlich des komplexen Stadtlebens zu sensibilisieren und aufzuklären. Das Buch hat vier Hauptfiguren. Eine Prostituierte, ein rechtschaffenes Mädchen (eine Sekretärin), einen Chef mit einem Universitätsabschluss aus Oxford und dessen Frau. Verführerischer Chef versus Sekretärin; Prostituierte versus anständiges Mädchen. Mit diesen Figuren und in lockeren Versen habe ich den trügerischen Glanz und die Tücken der importierten Kultur aufgezeigt. Ein simbabwischer Professor, der eine Abhandlung über After 4.30 geschrieben hatte, schrieb dem Buch gar einen marxistischen Anstrich zu. Im Südafrika der Apartheid wurde das Buch wegen seiner kritischen Haltung gegenüber der westlichen Kultur verboten. Wiederum andere meinten, das Buch sei ein Meilenstein in der Auseinandersetzung mit und der Förderung von Frauenrechten.
Zum Schluss möchte ich anmerken, dass meine Autorengeneration die intellektuelle Brücke zwischen der traditionellen afrikanischen Kultur und der importierten, westlichen Kultur bildet. Wenn es diese Generation und die heutige versäumen, nicht genug über all das zu schreiben und zu veröffentlichen, was afrikanische Werte eigentlich bedeuten, wird das Kapitel Stolz auf afrikanische Werte ein für alle Mal geschlossen. Bedauerlicherweise ist es dieses unveröffentlichte, traditionelle Afrika, das immer noch die umfassendste Bibliothek afrikanischer Werte darstellt und die ernsthaft vom Vergessen bedroht sind. Dieser Verlust wäre unvorstellbar und zum größten Schaden für die afrikanische Identität.
Das eigentliche Problem war immer das Fehlen von engagierten Verlegern. Als ich anfing zu schreiben, war Kenia von britischen Verlegern dominiert, die schlichtweg kein Interesse an afrikanischen Büchern zeigten. Nur das Self-Publishing hat mich gerettet. Es gab mir die Freiheit, das zu veröffentlichen, was die Leute meiner Meinung nach lesen wollten, und nicht das, was die in Übersee geschulten Chefs meinten, das die Leute lesen sollten. Kaum jedoch hatte ich mich erfolgreich als Schriftsteller etabliert, klopften dieselben britischen Verleger, die meine Arbeit abgelehnt hatten, bei mir an und baten mich, für sie zu schreiben.